Link pdf Artikel des Südkurier v. 30.09.2019 mit Bildern
Überlingen – Mit einer Zeitungsanzeige ging es im April 1977 los: „Die Initiative übernahm damals Sepp Marchel, der die Surfer aus Überlingen und der Umgebung zur Gründungsversammlung in den Faulen Pelz einlud“, berichtet Tilo Schnekenburger. Er hatte ein paar Jahre vorher die neue Sportart für sich entdeckt und gehörte zu den 15 Gründungsmitgliedern, die gleichzeitig die Surf-Pioniere auf dem See waren. In dem neu gegründeten Windsurfclub Überlingen (WSCÜ) übernahm er das Amt des Sport- und Jugendwarts. „Eigentlich waren wir alle Segler, konnten uns aber kein Boot leisten“, erinnert sich Tilo Schnekenburger. Dazu sei Surfen nicht nur ein Sport, sondern auch eine Art Lebensgefühl gewesen. Sie wollten unabhängig sein, modern und vor allem anders als „die Kapitäne aus dem Yachtclub“. Zudem wurde die neue Sportart anfangs kritisch beäugt. Tilo Schnekenburger kann sich erinnern, wie sie einmal der Wasserschutzpolizei demonstrieren mussten, dass sie das Brett lenken und punktgenau anlegen konnten. „Wir hatten keine Rechte und wurden in Sachen Vorfahrt eingestuft wie eine Luftmatratze!“ Deshalb gründeten sie einen Verein, um besser für ihre Interessen eintreten zu können. Der spätere Anschluss an den Seglerverband half zusätzlich. Tilo Schnekenburger vermittelte auch das Vereinsgelände, das sie von seiner Schwiegermutter pachten konnten. Um die 2000 Quadratmeter zwischen Nussbach und Strandbad beneiden sie viele. Sogar ein kleiner Sandstrand steht den Wassersportlern zur Verfügung. „Anfangs war das ein Nutzgarten mit Kiesweg und Spalierobst-Bäumen“, erinnert sich Schnekenburger. Mit viel Eigenleistung passten sie dasAreal nach und nach an ihre Bedürfnisse an, entfernten die eingefassten Wege, schütteten Sand im Uferbereich auf und vor 20 Jahren wurde ein neues Clubhaus gebaut mit viel Platz für die Sportgeräte. Zu Beginn der 1980-er Jahre hatte der Verein um die 100 Mitglieder, heute sind es 260, darunter viele Familien mit Kindern. Auch die Liste der im WSCÜ ausgeübten Sportarten ist länger geworden. Viele Mitglieder besitzen ein Stand-Up-Paddle-Board und der Verein hält kleine Segelboote und Katamarane vor. Auch an Land kann man sich hier abwechslungsreich betätigen auf dem Beach-Volleyball Feld, dem Badminton-Areal oder am Kicker. Sportliche Höhepunkte Der WSCÜ richtete früh die ersten Regatten aus. 1983 fungierte der Club als Veranstalter der Deutschen Surf-Meisterschaften, die zweite Auflage folgte 1993. Die letzte Großveranstaltung war die die Deutsche Meisterschaft in der Raceboardklasse 2014. Der Club brachte auch viele erfolgreiche SportDas Gelände des Windsurfclubs 1970 und heute: Durch den aufgeschütteten Sand ist die Mauer kleiner und der Strand attraktiver geworden. Auch die hölzernen Vorrichtungen für die Segel sind verschwunden. Dafür gibt es jetzt eine Beachbar mit einem Surfbrett als Theke und zwei Sonnenschirmen – für Clubaktivitäten nach dem Sport. BILDER: WINDSURFCLUB/SABINE BUSSE 2019 1970 „Die Mutter aller Trendsportarten“ Gedächtnis der Region: Über den Windsurfclub Überlingen und die Pioniere in einer Sportart, die zunächst eher als Segelbootfahren für Arme galt Der Weg verlief quer über das Gelände und stammte aus der Zeit, als das Areal als Garten genutzt wurde. Für die Surfer war die Einfassung oft Stolperstein, bis der Weg entfernt und eine durchgehende Rasenfläche angelegt wurde. 1970 2019 ler hervor. So kamen die Europameister 1977 und 1995 aus Überlingen. Dazu gab es insgesamt 12 Deutsche Meister vom Bodensee. Matthias Bornhäuser hatte als Schüler im WSCÜ das Surfen gelernt und wurde von Tilo Schnekenburger trainiert. Nach seinem Abi konzentrierte er sich voll auf den Sport und schaffte es bis zum Deutschen Meister sowie zum Europameister–und einem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Höhepunkt seiner Sportkarriere war sein Start bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta. Ein moderner Gabelbaum ist wesentlich leichter und kleiner. Vieles ist anders geworden seit der Gründung des WSCÜ. Beim Wundsurfen handle es sich um „die Mutter aller Trendsportarten“, sagt Tilo Schnekenburger, Gründungsmitglied des WSCÜ. Denn danach erst seien viele neue Wassersport-Aktivitäten erfunden worden, beziehungsweise in Mode gekommen. Zusammen mit Gilbert Mattes, der lange als Sportwart im Verein aktiv war, sinniert er über die Anfangszeiten, als die Surfer ihre Bretter noch selber bauten. Heute dominieren Technik und modernste Materialien den Sport und den Markt. „Es gibt diverse Spielarten, und wie in vielen Sportarten werden die Trends bisweilen überzogen“, sind sie sich einig. Die heute vorgeschriebenen Regatta-Boards hätte kaum ein HobbyWindsurfer mehr in der Garage. Ähnlich sieht es beim Kite-Surfen aus, bei dem Gilbert Mattes einer der Pioniere auf dem Bodensee war. Da es niemanden gab, bei dem er lernen konnte, machte er seine Erfahrungen eben alleine. „Anfangs bin ich öfter unterhalb der Birnau gestrandet und musste zu Fuß nach Hause gehen.“ Heute nennt auch er ein hochmodernes Foil-Kite sein Eigen. Mit diesen Boards „schweben“ die Surfer dank eines Unterwasserschwerts scheinbar über dem Wasser und können schon bei relativ wenig Wind beachtliche Geschwindigkeiten erreichen. Das Ganze ist nicht ungefährlich, wie die Blessuren an Gilbert Mattes Beinen zeigen. Das Schwert ist messerscharf und der Kontakt entsprechend verhängnisvoll. (bus) EineSportart im Wandel der Zeit „Wir hatten Vorfahrt wie eine Luftmatratze!“ Tilo Schneckenburger, Vereinsgründer
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